XXVII. StuTS in Bochum
31. Mai bis 4. Juni 2000

Proceedings online

 

Oksana Schwaika (Bielefeld):

Dependenzgrammatik unter den anderen Arten der Grammatiken

Es sind in der letzten Zeit viele neue Arten von Grammatiken entstanden. Die Dependenzgrammatik wird in diesem Zusammenhang von manchen Wissenschaftlern als überholt betrachtet. Die Grundgrammatiken sind die Dependenzgrammatik, Konstituentenstrukturgrammatik und die Kategorialgrammatik. Im europäischen Bereich war früher die Valenztheorie in der Form einer Dependenzgrammatik die stärkste Alternative zu einer im generativen Sinne weiterentwickelten Konstituentenstrukturgrammatik (vgl. Lewandowski 1976:790). Das Ziel des Vortrages ist es zu betrachten, welche Rolle der Dependenzgrammatik insgesamt und der Dependenzgrammatik von Helbig unter den anderen Arten von Grammatiken zukommt.

1. Die europäische syntaktische Tradition kann zwei Methoden verzeichnen: Kategorisierung (sammelt die Elemente mit dem analogischen syntaktischen Verhalten) und Relationalisierung (bestimmt die Beziehungen zwischen den Elementen). Hier herrschen folgende Prinzipien:

  1. Konstruktion der Sätze basiert auf der Teil-Ganzes-Beziehung;
  2. Es sollen die Beziehungen von Dependenzen oder Subordinationen zwischen den Teilen des Satzes festgestellt werden; (vgl. Heringer 1993:298).

2. Nicht-Dependenztheorien
Eine von der interessantesten Entwicklungen der 1970 und 1980 war die Tendenz der nicht-Dependenztheorien, die typischen Ideen der Dependenztheotie aufzunehmen. Konstituenzstruktur ist noch grundlegend für die Theorien, die in der linguistischen Theoretisierung dominieren (mindestens in angelsächsischen Raum) – Government-Binding-Theorie (Chomsky 1981, 1982, 1986), Generalized Phrase-Structure-Grammar (Gazdar et al. 1985, Borsley) und Lexical-Functional Grammar (Bresnan 1982). Jede dieser Theorien auf dem eigenen Weg ist näher zu der Dependenztheorie, als jede der Dominanztheorien in den 60-er. Relational Grammar (Perlmutter 1983) als eine sehr wichtige Theorie der späten 70er, war noch näher zur Dependenztheorie. (Hudson 1993:329)

Die Konstituentenstruktur eines Satzes in der X-Bar-Theorie (Minimalismus) entsteht als Resultat der Konstituentenanalyse. Hier gelten die Transformationsregeln, die den Übergang von der Tiefenstruktur zur Oberflächenstruktur verwirklichen, was durch X-bar Syntax und Baumdiagramm geschieht (Phrase-marker bei Chomsky). P-marker besteht aus einem Satz von Knoten, die miteinander in den Beziehungen der Interdependenz stehen, wobei sie einander bestimmen. Die Tatsache, daß es in einem Satz die NP und VP anerkannt werden, spricht dafür, daß man die selbständige Rolle des Subjektes anerkennt.
Wie in HPSG herrscht hier die Rechtsregel: wenn ein Knoten ein anderes regiert, das bedeutet, daß er von ihm in dem angegebenen Phrase-marker steht (Precedence). Dominanz vereinigt die Knoten zum Baum. Die Prezedenz und die Dominanz sind zwei Arten der Beziehungen, die innerhalb von einem Satz herrschen (sie schließen einander aus). Die Knoten können Mothers, Daughters und Sisters haben (das dominierende Element ist Mother, das dominierte – Daughter, ein vom Mother regierter Satz von Knoten heißt Sisters.

Government-Binding-Theorie und Generalized Phrase-Structure Grammar basieren auf der X-Bar-Theorie der Konstituentenstruktur (Jackendorf 1977), im Zentrum von welcher die Idee steht, daß jede Konstruktion Head und Daughter hat, welche dasselbe Merkmalbündel, wie die Mutter hat. Diese Herausforderung sollte die enge Verbindung zwischen der Klassifikation der ganzen Phrase und eines ihrer Konstituentwörter – feststellen - also die NP heißt so, weil sie um den Nomen gebaut ist. X-bar-Prinzipien sichern, daß die Merkmale eines Konstituentwortes auf die ganze Mutterphrase projeziert werden (maximale Projektion). Dieser Schritt hat die Reduzierung des Beitrages des Mother-Knotens verursacht, weil er, der Definition nach, die selbe Merkmale tragen muß, wie eines der Konstituentwörter, also, die Struktur ihrer Merkmale fügt nichts zur syntaktischen Analyse hinzu. Der einzige Unterschied zwischen Mother und Daughter ist in der Anzahl der "bars", die sie beinhalten. Das ist eine Notationsempfehlung, um die relative Größe oder Komplexität zu identifizieren. Welche Rolle die Merkmalanalyse der Phrase auch spielen könnte, dieselbe Rolle kann Head-Wort spielen. X-bar-Theorie ist näher zur Dependenztheorie als andere Versionen der Konstituentenstruktur. Es soll betont werden, daß der Begriff Head immer noch keine Rolle in X-bar-Satzstruktur spielt. (Zwicky 1988). Heads sind direkt in Generalized Phrase-Strukture Grammar repräsentiert, aber nur in den Regeln, wo das Symbol "H" von der Regel rechts für Element mit denselben Merkmalen links steht. Alle Elemente haben also den gleichen Status.

Anerkennung der relationalen Kategorien läßt sich am klaresten in Lexical-Functional-Grammar merken, wo die Kategorien, wie Subjekt explizit in der funktionalen Struktur einer der zwei syntaktischen Strukturen des Satzes erkannt werden. Alle solchen Kategorien sind Abteile des Begriffs "dependent" und sind Teil derselben grammatischen Tradition, aus welcher die Dependenztheorie entspringt. Also alle Theorien, wie Lexical-Functional Grammar, in welchen relationale Kategorien als Basis angenommen werden, sind näher zur Dependenztheorie, als standarde Konstituenzstrukturtheorie. Dasselbe betrifft Relational Grammar, Theorie der grammatischen Struktur, deren Basiskategorien relational sind. Lexikal-Functional Grammar und Relational Grammar sind der Dependenztheorie in ihrer Anerkennung der relationalen Kategorien als Basis ähnlich. Konstituenzgrammatik (IC-Analyse) basiert auch auf Teil-Ganzes-Beziehung.

Government-Binding-Theory und Generalized Phrase-Structure-Grammar befolgen die Tradition der Phrasenstruktur, indem sie explizit verneinten, daß die relationalen Kategorien mehr als derivativen Status in der Grammatik haben. In Government-Binding Theorie ist der Begriff Kasus fundamental, und die abstrakten Kasus sind relational, weil sie eher den äußeren Relationen, als innerer Struktur entsprechend variieren. Z.B. die Form von der NP ist N oder Akk je nachdem, ob es Subjekt oder Objekt ist. Ähnliche Unterschiede werden auch in Generalized Phrase-Structure Grammar gemacht, wieder ohne Anerkennung ihrer relationalen Natur, und die Kategorien, wie "Prädikat" sind auch anerkannt. Die relationalen Kategorien, die für die Dependenztheorie fundamental sind, spielen also eine wichtige Rolle in diesen Theorien (vgl. Hudson 1993:330).

Die letzte Trend ist die explizite Anerkennung der Dependenz, wie Relationen in der Government-Binding Theorie unter dem Namen "Government". Er begrenzt die morphosyntaktischen Eigenschaften der Dependenten. Wie auch die traditionellen grammatischen Relationen, government ist nicht direkt in den Satzstrukturen indiziert, er muß aus den Phrase-Structure-Configurations erschlossen werden. Die enge Verbindung zwischen syntaktischen und semantischen Dependenzen ist nicht immer anerkannt (in Government-Binding Theorie sind die Theta-Rollen als Basis, aber die grammatischen Dependenzrelationen sind das nicht).

Die Kategorialgrammatik erkennt die Dependenzrelationen als Basisrelationen. Sie wird sogar als Version der Dependenzgrammatik betrachtet. Das kommt darauf zurück, daß alle syntaktischen Konstruktionen in Termen der asymmetrischen binären Relationen zwischen dem Funktor und seinen Argumenten, die in Head und Dependenten geteilt werden, definiert werden. Der andere Grund ist, daß die ganze Information, die zur Determination der Satzstruktur erforderlich ist, ist in der Klassifikation der individuellen Wörter lokalisiert. Deshalb werden die Kategorialgrammatik und die Dependenztheorien "lexikalistisch" genannt.

Der Phrasenstruktursyntax wurde vorgeworfen, a) daß sie nur 2 Typen der Kategorien untersucht:
Lexikalische Kategorien – N, V, P, A;
Phrasale Kategorien: NP, VP, PP;
PSG ist eine durch Ersetzungsregeln dargestellte Konstituentenstrukturgrammatik, sie weist einer Kette die strukturelle Beschreibung zu, die als Baumgraph dargestellt werden kann. Zwischen der PSG und der Dependenzgrammatik besteht die Relation der schwachen Äquivalenz (Baumgärtner 1970, zitiert in Lawandowski 1975:496-497).
Fast alle Linguisten haben eigenes Instrumentarium für die Behandlung der syntaktischen Merkmale ausgearbeitet. Die lexikalischen Einheiten stehen erst am Ende der Knoten. P-Marker läßt die Überschneidung der Zweige nicht zu. Deshalb wurde die Phrasenstruktur durch X-bar Syntax ersetzt, wo die lexikalische Kategorie mehr als eine Phrasenprojektion haben kann (X, X-single-bar, X-double bar). Die Kategorien beinhalten mehr, als Komplexe von semantischen Merkmalen ±N, ±V, ±Pro. Grammatik wurde in 3 Komponenten gegliedert (vgl. Radford 1981:118):

  1. Satz der Kategorialregeln, die phrasalen Kategorien zu den anderen lexikalischen Kategorien erweitern (S = NP-Aux-VP, VP = V-NP, NP = Det-N;
  2. Lexikon (Wortschatz), der die Liste der Wörter zusammen mit der Spezifikation von der lexikalischen Kategorie, der sie angehören (V, N, P) umfaßt;
  3. Regel der lexikalischen Einfügung, nach denen lexikalische Einheiten (Wörter) in die Knoten der lexikalischen Kategorien einbezogen werden;

Verben werden subkategorisiert mit Respekt zu den VP, in denen sie vorkommen. Substantive werden subkategorisiert in Entsprechung zu den NP (Radford 1981:125-126). Einheiten werden subkategorisiert mit Respekt zu den Sister-Konstituenten, die sie zulassen oder auch nicht. Bei der Subkategorisierung der Verben sollen die Möglichkeiten des Infinitivs nicht berücksichtigt werden.

Eine weitere Entwicklungsstufe der Grammatik bildet die Head-Driven Phrase Structure Grammar. Sie ist auf der Grundlage von der Kategorialgrammatik, Diskourse Representation Theory, Generalized Phrase Structure Grammar, Government-binding Theorie, Lexical-Functional Grammar, Situation Semantics entstanden. Diese Art der Grammatik wurde von Pollard and Sag (1987) entwickelt, um mathematische Grundsätze für die linguistische Theorie zu schaffen, d.h. eine Klasse von mathematischen Strukturen, die sich dafür eignen, die Erscheinungen der natürlichen Sprachen zu modellieren. Vieles ist der Computerlinguistik entliehen. HPSG gehört zur Familie der Grammatiktheorien, die von Schieber 1986, (zitiert in Pollard and Sag1987:7) Unification Based genannt werden. Die Hauptoperation heißt Unifikationsoperation, die aus allen Strukturen eine Struktur wählt, die die ganze in den Mitgliedern des Satzes präsentierte Information enthält. Die Analyse umfaßt lexikalische Einheiten (mit der phonologischen, semantischen und syntaktischen Information), grammatische Regeln, die sie kombinieren, sprachspezifische und sprachuniverselle Prinzipien der Wohlgeformtheit und die Situation der Sprachbenutzung selbst (Kontext) (Pollard and Sag 1987:7). Die Determiner-Phrase konstituiert keine eigene Phrase, wie in Minimalismus. Satz besteht aus der Projektion des Verbs mit Komplementen + Spezifier.

Grewendorf 1988 (zitiert in Müller 1999:1) führt folgende Kriterien zum Beweis, daß eine Wortgruppe eine Konstituente bildet:

  1. Substituierbarkeit: Wenn sich eine Wortgruppe durch eine andere substituieren läßt und dabei ein akzeptabler Satz entsteht, so sprechen wir von Konstituenten;
  2. Permutierbarkeit: Satzteile, die sich leicht verschieben lassen, ohne die Richtigkeit des Satzes zu verletzen, sind Konstituenten;
  3. Pronominalisierungstest: Alles, was sich durch ein Pronomen ersetzen läßt, ist eine Konstituente;
  4. Koordinationstest: Dinge, die sich koordinieren lassen, sind Konstituenten;
  5. Fragetest: Was erfragt werden kann, ist eine Konstituente;

Dieses Verfahren beansprucht nicht die Allgemeingültigkeit, aber es läßt sich als Indiz für Konstituentensein anwenden. In die Struktur des Zeichens in der HPSG-Grammatik sind phonologische, syntaktische und semantische Merkmale einbezogen. Weiter unterscheidet man unter den syntaktischen und semantischen Merkmalen (SYNSEM) lokale (Information über syntaktische Kategorie eines Zeichens (CATEGORY), über den semantischen Inhalt des Zeichens (CONTENT) und über den Kontext (CONTEXT)) und nichtlokale Abhängigkeiten (Relativsätze und Extraposition). Unter den Merkmalen SYNSEM/LOC/CAT unterscheidet man HEAD und SUBCAT.

Das Merkmal HEAD spezifiziert syntaktische Eigenschaften, an deren Spitze das entsprechende lexikalische Zeichen ist. Die Kategorie Subkat charakterisiert die Valenz des Zeichens. Das Merkmal LEX ist ein binäres Merkmal, das die Möglichkeit gibt, zwischen lexikalischen Einheiten und deren Kombination zu unterscheiden. In jeder Phrase können wir den lexikalischen Kopf (lexikal head) unterscheiden. In einer Verbphrase ist das das Verb, in einer Präpositionalphrase – die Präposition, und in der Nominalphrase – das Nomen. Die Rolle des Subjektes ist sekundär. Die phrasalen Zeichen zerfallen in DAUGHTERS – die Komponenten, aus denen dieses Zeichen besteht und mit denen es die Kopfmerkmale teilt.

Die Kategorie Verb zerfällt in finite und infinite Verben. Die Valenz (oder Subkategorisierung) beschreibt man mit Hilfe der Subkategorisierungsliste. Diese Liste läßt sich nicht auf die Oberflächenstruktur zurückführen, hier herrscht die Obliqueness-Hierarchie. Die Accessibility Hierarchie (Keenan and Comrie, 1977, zitiert in Pollard und Sag, 1987:120) sieht folgenderweise aus: Subject – direkt Objekt – indirekt Objekt – Obliques – Genitives – Objects of Comparison. Der Satz wird als eine gesättigte Verbphrase mit VFORM fin, deren Bestandteile bestimmten Ordnungsprinzipien folgen, verstanden. (vgl. Müller 1999:8).

Sowohl Subjekt, als auch Objekte des finiten Verbs gehören zur Subkategorisierungsliste. Daraus läßt sich schließen, daß es keine strukturelle Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekten angenommen wird. Bei den infiniten Verben wird das Subjekt nicht als Element der Subkategorisierungsliste betrachtet. Bei den finiten subjektlosen Verben ist diese Stelle leer. Wie alle Arten von Grammatiken, bemüht sich auch die HPSG-Grammatik eigenes tertium comparationis – Bezugssystem einzuführen. Als Universalgrammatik gilt der Teil der Grammatiken, die unabhängig von Einzelsprachen ist. Als solche schlägt die HPSG-Grammatik das Immediate Dominance Principle (IDP) vor. Dieser Satz von Regeln (Dominanzschemata) dient zur Beschreibung der Phrasenstrukturen. Die Hauptherausforderung zur Wohlgeformtheit einer Phrase der bestimmten Sprache ist, daß sie den in der bestimmten Sprache existierenden Dominanzschemata entspricht. In der Dependenzgrammatik heissen diese Regeln Selektionsbeschränkungen. Die Dependenzgrammatik schreibt den semantischen Kasus und semantischen Merkmalen die Universalität zu.

Die semantischen Kasus erlegen auf die einzelnen Phrasen die Einschränkungen auf, deren Verletzung zur Verletzung der Kollokationsregeln führt.
Hier werden die Subkat-Listen der einzelnen Phrasen zur Liste eines ganzen Satzes vereinigt.
Weiter unterscheidet man Modifikatoren (oder Adjunkte), die die semantische Bedeutung sowohl des Kopfes, als auch der gesamten Phrase modifizieren.

Starosta (1988:7-8, zitiert in Fass, D. Lexical Semantic Constraints in Pustejowsky 1993:265) betont die Wichtigkeit bei der Formulierung von syntaktischen Theorien und unterscheidet drei Typen von Beschränkungen: Beschränkungen von grammatischen Repräsentationen, von grammatischen Regeln und von lexikalischen Repräsentationen. Unter diesen Beschränkungen von lexikalischen Repräsentationen beschreibt Starosta Reihen von "lexikalischen Eigenschaften". Sie haben zwei Dimensionen:

  1. kontextuelle, nicht-kontextuelle und Zwischenstufe ("in-between");
  2. syntaktische, semantische und Zwischenstufe ("in-between").
Es wurde eine Tabelle zur Veranschaulichung von Beschränkungen angeboten, aber alle kontextuellen syntaktischen Beschränkungen von Starosta werden als Subkategorisierungsformen dargestellt, und Starostas Formen "in between" werden als nicht-kontextuell und syntaktisch betrachtet.
 SyntaktischSemantisch
KontextuellSubkategorisierungSelektionsbeschränkungen
Nicht-kontextuellSyntaktische Merkmale
(Zeit, Person, Genus)
Semantische Eigenschaften
(+soft), (-animate), (+human)

Die Tabelle veranschaulicht, daß lexikalisch-semantische Beschränkungen, integriert in die syntaktische Theorie, Selektionsbeschränkung (kontextuell) und semantische Merkmale (nicht-kontextuell) sind. Selektionsbeschränkung bestimmt die Kollokation mit bestimmten semantischen Klassen der lexikalischen Einheiten nach der Anwendung der Projektionsregeln.

Andere Unterschiede zwischen Grammatiken können sich auf theoretische Bindung und auf den Adressatenbezug beziehen (vgl. Eisenberg 1998:1). Manchmal bemühen sich bestimmte Grammatiken ("Grundzüge" Heidolph 1981), den Forschungsstand bestimmter sprachwissenschaftlicher Schulen auf das Deutsche zu übertragen. Diese Konzeption wird manchmal abgelehnt. Die Grammatik von Erben (1980), Helbig/Buscha (1993) und Zifonun (1997) verzichten darauf und konzentrieren sich auf der Darstellung der Bedeutung, wie z.B. Zifonun (1997).

Nach Eisenberg (1994:52) herrschen zwischen den Konstituenten folgende syntagmatische Beziehungen:

  1. Rektion
  2. Identität der Konstituenten, wenn sie einer gemeinsamen grammatischen Kategorie untergeordnet werden.
  3. Kongruenz (beruht auf Flexionsmerkmalen)
  4. Positionsbeziehungen: Konstituenten besetzen ihre Stellen, die von den grammatischen Regeln bestimmt werden.

3. Hybride Modelle
Außer der reinen Dependenzmodellen gab es Versuche, die hybriden Modelle zu konstruieren, indem die Dependenz mit der Konstituenz verbunden wurde. Zu solchen Versuchen zählt auch Heringer, wo das Konstituenzsystem des Deutschen auf der Basis des integrierten Modells gegeben ist. Die Konstituenzbasis ist dann mit dem Dependenzsystem erweitert. Die Konstituenzregeln sind dann zu den Dependenzregeln transferiert und nehmen den einflußreichsten Knoten als Hauptknoten an. Auf solche Weise werden die Dependenzen zwischen höheren Knoten und syntaktischen Kategorien erhaßt.

In dieselbe Richtung geht die nächste Hybrid-Grammatik – Lexicase-Theorie von Starosta. Sie bedient sich der Dependenzstruktur, aber bereichert sie mit den Elementen der Kasustheorie. In Lexicase – Grammar sind alle Regeln als Generalisierungen über das Lexikon angegeben. Zentral in dieser Theorie sind die lexikalischen Einträge, die die Bündel der Merkmale verschiedener Varietäten sind. Es gibt inhärente Merkmale, wie z.B. kontextuelle, die entscheiden, was rechts oder links von einem Element erscheinen kann und bestimmt den Kasusrahmen für die Verben. Robinson (1970, Dahl 1971) schlägt vor, die Transformationsgrammatik mit der Dependenzsyntax zu verbinden. Sie plädiert für die Basis von der Dependenzgrammatik und betont:

  1. daß die Dependenzbasis leichter ist und braucht weniger Transformationen als Konstituenzbasis (Hays 1964, 234). Die sogenannte Operation tree pruning (Eliminierung von den leeren Knoten) wird auf der Dependenzbasis überflüssig.
  2. Dependenzregeln sind näher zur semantischen Repräsentation (Dahl 1971), was sich aus ihrer Verbindung zur logischen Semantik erschließen läßt;
  3. Daß die Heads in der Dependenzsyntax gut definiert sind, wobei es unmöglich ist, sie in der PSG festzustellen. Transformationsregeln sind leichter, als entsprechende Ausführungen der Dependenzgrammatik, bis sie keine höheren Knoten oder Kategorien enthalten.

Alle Typen der hybriden Dependenzsyntax werden als interessante Vorschläge, aber nicht als gut etablierte und empirisch entwickelte Modelle betrachtet.

4. Die Rolle des Subjekts
Die ganze Präsentation der semantischen Beziehungen kann ganz skeptisch betrachtet sein. Es dauert die Diskussion, ob das Subjekt zur Subkategorisierung gehört, oder getrennt behandelt werden soll. In der X-bar Theorie finden wir Komplemente und Spezifikatoren (Subjekte). Hiermit wird hervorgehoben, daß die Subjekte andere Beziehungen mit den Verben eingehen, als die übrigen Mitglieder der Sätze. Die Subjekte werden mit den Verben nicht in allen Kategorien übereingestimmt, wie es früher behauptet wurde. Die Übereinstimmung betrifft nur die Finitheit. Wenn das Verb nicht finit ist, so kann es kein Subjekt aufnehmen. Manchmal bezieht sich das Subjekt nicht aufs Verb, sondern auf das ganze Syntagma oder den ganzen Satz. Die Kategorie "Satz" selbst wird umstritten – Lutzeier bezweifelt die Existenz dieser Einheit (1991:152).

In der Relational Grammar oder Lexikal Functional Grammar betrachtet man grammatische Relationen, wie z.B. Subjektrelationen als zentrale Grundbegriffe. Diese Zielsetzung hat vor, einzelsprachliche und universelle grammatische Regularitäten zu formulieren. Andere Theorien betrachten die Relationsbegriffe als definierbare Hilfsbegriffe – z.B. generative Grammatik als GB-Theorie führt die grammatische Relationen auf strukturelle Relationen zurück. Die GB-Theorie diskutiert die Frage, ob sich im Deutschen die VP-Konstituente rechtfertigen läßt. Bei der Beschreibung des Subjekts gibt es verschiedene Herangehensweisen, die nominativische Markierung der NP ist die Voraussetzung dafür. Deshalb behandelt man Subjekt nicht als Ergänzung, die die Verbkongruenz steuert, sondern als das, worüber etwas ausgesagt wird oder Subjekt als Agens (vgl. Lyons 1968:334, 1977:50). Dem Subjekt schreibt man Topikhaftigkeit oder Agentivität zu. Gegen Topikhaftigkeit zeugt die relativ freie Satzgliedstellung im Deutschen. Dem Subjekt als Agens wird vorgeworfen, daß dem Subjektausdruck in Abhängigkeit vom Prädikat kaum eine große Zahl verschiedener Rollen zugeordnet wird. Mit der Rolle des Subjekts setzen sich viele Wissenschaftler auseinander, ohne einer endgültigen Lösung näherzukommen.

Eisenberg (1994:285) führt Argumente an, daß auch Sätze zu den Subjekten zu zählen sind: "Das Subjekt kann ein Nominativ, aber ebenso ein Satz oder eine Infinitivgruppe sein, und diese Formen des Subjekts werden vom Verb selegiert". Eisenberg (vgl. 1994:277) definiert das Subjekt als Nominal im Nominativ, das formal mit Prädikat korrespondiert, das grammatischsyntaktisch das Subjekt bestimmt. Weiter unterscheidet man in der Grammatik semantisches, logisches und psychologisches Subjekt, das in einem Aktivsatz gewöhnlich ein Agens ist. In der generativen Grammatik werden die Subjekt-Objekt-Asymmetrie besprochen und die Sprachen, die eine VP brauchen, werden konfigurationell genannt. Es ist aber umstritten, ob das Deutsche eine konfigurationelle Sprache sei (Fanselow 1987, Oppenrieder 1991:36, zitiert in Eisenberg 1994:284). Dafür werden die Argumente angeführt, daß in einem Subjekt-Prädikat-Objekt-Satz Subjekt und Prädikat den anderen Mitgliedern des Satzes gegenüberstehen. Otto Jespersen besagt: "The subject is the primary which is most intimately connected with the verb (predicate) in the form which it actually has in the sentence" (1969:126, zitiert in Eisenberg 1994:284).

Alle Gramatiken erkennen die besondere Stellung des Subjekts. Andererseits wird es den Objekten gleichgesetzt, weil es sich auch vom Verb lexikalisch und kategorial regieren läßt. Vom syntagmatischen Gesichtspunkt wird Subjekt mit dem Prädikat nicht nur über die Valenz, sondern auch über die formale Korrespondenz vom Subjekt und Prädikat verbunden. (vgl. Eisenberg 1994:285).

Reis (1982, zitiert in Müller 1999: 11) ist der Meinung, dass man den Subjektbegriff auf Nominativ zurückführen kann und muß. Dafür entscheiden wir uns auch in unserer Arbeit.

Es wird sogar umstritten, ob es im Deutschen eine Verbalphrase gibt oder nicht (vgl. Haider 1982, Webelhuth, Sternefeld 1985b, Fanselow 1987, Grewensdorf, 1988, Webelhuth 1990, Oppenrieder 1991, Haider 1993, zitiert in Müller 1999: 11). Es wird behauptet, dass alle Komplementen des Verbs im Deutschen auf einmal gesättigt werden, es gibt keine Zwischenstufe, wie im Englischen (vgl. Pollard and Sag 1987: 149-155).

5. Die Rolle der Kongruenz
Gelhaus (1984:190, zitiert in Lutzeier 1991:129) bringt einen starken Begriff der Richtung (direction) ein: "Wir betrachten (...) eine strenge, vom Subjekt her bestimmte Abhängigkeit. Die Wahl der Verbform richtet sich in Person und Numerus nach dem Subjekt, nicht umgekehrt. Diese Erscheinung nennt man grammatikalische Kongruenz". Sitta (1984:646, zitiert in Lutzeier 1991:128) sieht das Wesen der Kongruenz in der "grammatisch-formalen Abstimmumg". In Gazdar/Klein/Pullum/Sag (1985:84.87) versteht man die Kongruenz als direktionale Kontrollrelation, die vom semantischen Funktor und Argumentstruktur bestimmt ist, in Hudson (1980:185) – als direktionale Relation zwischen Modifeier und Head. Die zweistellige Relation "Kongruenz" von Eisenberg (1989:55) versteht die Dependenz einer Konstituente von der anderen. Weiter schreibt er: " (...) formal besteht keine Abhängigkeit des Artikels vom Substantiv in Hinsicht auf Numerus und Kasus, denn Artikel und Substantiv kongruieren bezüglich dieser Kategorisierungen (...) " (159-160).

Die Kongruenzrelation hat mit dem Niveau der morphologisch-syntaktischen Verbindungen zwischen Konstituenten in dem gegebenen Satz zu tun. Kasus-Rektion besagt, daß dominierende Wortformen der Konstituente den Kasus zeigen. Das ist Wesen der direktionalen Rektion (vgl. Lutzeier 1991:130). Kasus-Rektion ist auch mit dem Niveau der morphologisch-syntaktischen Verbindungen zwischen den Konstituenten in der gegebenen Sequenz verbunden. Dazu berührt sie das Feld der syntaktischen Dominanz, was über die Möglichkeiten bestimmter Elemente, die für andere Elemente offen sind, informiert. Dieses Bereich will die Dependenzgrammatik mit dem Begriff "Valenz" decken.

Kongruenz und Kasusrelation präsentieren die morphosyntaktischen Relationen zwischen den Konstituenten im Deutschen.

5. Die Dependenzgrammatik
Kohärente syntaktische Struktur in der Dependenzgrammatik bedeutet, daß alle Elemente in die Relationen einbezogen sind. Die Struktur des Satzes ist nicht linear, sondern von der Konnexion (mentales Leien, syntaktischer Hinweis) bestimmt. Sie stellt die Dependenzen der Elemente des Satzes dar. Dependenz als eine assymetrische Relation verursacht die Hierarchie der Konnexionen – ein Element kann regieren und regiert sein. Syntaktische und semantische Struktur des Satzes sind voneinander unabhängig, aber syntaktische Struktur wiederspiegelt die semantische Struktur (Heringer 1993:299). Verständnis eines Satzes bedeutet Verständnis der Summe der Strukturkonnexionen.

Syntaktische und semantische Strukturen sind parallel, weil syntaktische Struktur die semantische Struktur wiederspiegeln soll (Heringer 1993:300). Die Struktur des Satzes ist durch Stemma repräsentiert. Die Wörter sind durch Knoten, die Konnexionen durch Ecken dargestellt. Kategorien sind sprachspezifisch, haben aber universale Funktionen. Heringer (1993:302) bestimmt Valenz als Fähigkeit des Verbs, diese Satzmuster zu bestimmen und die Form der Komplemente festzustellen. Verbspezifisch sind die Komplemente, wobei die Supplemente oder Adverbialien freie Teile des Satzes sind.

Mögliche Formen der Komplemente sind von Sprache zu Sprache variierbar und verschiedenes Instrumentarium der Merkmale soll für verschiedene Sprachen gefunden werden.

Komplemente konstituieren den referentiellen Potential des Satzes, während das Verb die prädikative Kraft hat. Valenztheorie basiert auf dem verschiedenen Status des nominalen Satzteils. Ganz strittig ist das Problem, wie die Komplemente unterschieden werden, wie ihre Beziehungen im Unterschied zu den Adverbialien sind (Vater 1978, Helbig 1982). Zwischen Komplementen und Aktanten gibt es auf der Oberfläche keinen Unterschied – NP Akk oder PP können sowohl Komplement als auch Aktant sein. Tesniere unterschied ganz formell zwischen Komplementen, die belebte Wesen oder Sachen, die sich am Sachverhalt beteiligen, bezeichnen und Adverbials, die ihre enge Bedingungen benennen. Dieses Kriterium verursacht Probleme der Methode. Es gab auch andere Tests, die freien Angaben zu ermitteln. Z.B. "Und – Zwar – Probe" in der Dependenzgrammatik.

Das Subjekt in der Dependenzgrammatik verliert seine Sonderstellung und wird mit dem Objekt gleich behandelt. Diese Position wurde an der Dependenzgrammatik stark kritisiert. Kritisiert wurde auch die Tatsache, daß die Dependenzgrammatik keinen Unterschied zwischen Semantik und Morphosyntax macht. Nach Hjemslew herrscht zwischen Subjekt und Prädikat die Interdependenz (vgl. Lewandowski 1976:139). In der Dependenzgrammatik wurden auch andere Widersprüchlichkeiten kritisiert, wie z.B. wiederholtes Verwechseln von Inhalts- und Ausdrucksebene, hervorgehoben von Stötzel (1970 zitiert in Lewandowski 1976:139-140). Die lineare Sequenz wurde in der Dependenzgrammatik auch vernachlässigt, was die Projektivität beeinträchtigt. Aufschlußreich könnten anschauliche Strukturdarstellungen in Verbindung mit der Konstituentenstrukturgrammatik sein.

Ungeachtet der Kritik, haben wir uns für diese Art der Grammatik entschieden, da unsere Untersuchung sich auf die Verben richtet, und diese Konzeption der Verbzentriertheit eignet sich eigentlich ganz gut für unsere Zwecke. In erster Linie konzentrieren wir uns auf einen prototypischen einfachen Verb-Satz.

Die Dependenzgrammatik kann als "Urfassung für andere Grammatiktypen" (wie Tiefenstrukturkasus) gelten. Heutzutage wird sie in Verbindung mit neueren Arten der High-Tech-Grammatiken (GPSG, HPSG) untersucht. Infolgedessen sind die Kenntnisse über sie nur implikativ als Kontrast zu anderen Grammatiken vorhanden. Die vorhandenen Arbeiten sind aufs Englische bezogen. Diese Situation läßt sich darauf zurückführen, daß die Arbeiten von Tesniére nicht genug untersucht sind, was sich aus ihrer Schwierigkeit ergibt. Tesniéres Werke stellen ein vielschichtiges Gebilde aus Morphologie, Satzstruktur, Wortetymologie und Sprachtypologie dar, sie konzentrieren sich auf Probleme der lexikalischen Valenz. Syntaxmodelle behandelte Tesniére in Verbindung mit Fragen der Valenz. Konnexion, Junktion und Translation als dependenzsyntaktische Relationen blieben im Hintergrund.

Die Methode zur Veranschaulichung von grammatischen Beziehungen anhand von Stemma war schon lange vor Tesniére bekannt und hatte didaktische Gründe. Ihre Bedeutung für die Computerlinguistik wurde spät erkannt. Erst in den 60- 70-er Jahren wandten sich die Sprachwissenschaftler der Tesniérschen Methode unter dem Gesichtspunkt der Formalisierbarkeit und ihrer Anwendung in der Computerlinguistik zu (z.B. Hays, D. 1961, Gaifman, H. 1961). Das geschah nach der Erscheinung der Fillmoreschen Tiefenkasus-Theorie (Machinelle Übersetzung (Rothkegel 1976, Weisgerber 1983, Somers 1986).

Zwar wurde der semantischen und lexikalischen Basiertheit von Satzstrukturen der Dependenzgrammatik mehr Aufmerksamkeit in Verbindung mit der Theorie der Tiefenkasus (Ch.J.Fillmore) und der Conceptual Dependency (R.C.Schank) geschenkt. Danach sind die systematischen Inkonsistenzen der Dependenzgrammatik und Valenztheorie Tesniéres zum Vorschein gekommen. Deshalb wurde mehrmals versucht, sie zu revidieren (Baumgärtner 1970, Heringer 1970, Klein 1971, Vater 1973, Werner 1973, Maas 1974, Vennemann 1977). Als weitere Entwicklung der Dependenzgrammatik haben Robinson 1968, Vater 1973 und Maas 1974 eine Verbindung von Konstituenz- und Dependenzgrammatik vorgeschlagen. Semantische Aspekte der Dependenz und Valenz wurden von Klaus, Heger, Bondzio untersucht.

Die Dependenz ist wie folgt von K.Bühler definiert: "Es bestehen in jeder Sprache Wahlverwandtschaften; das Adverb sucht sein Verbum und ähnlich die anderen. Das heißt sich so ausdrücken, daß die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Wortklassen ausgefüllt werden müssen" (Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. 1965:173, zitiert in Weber 1992:13).

  1. Die Zurückführung von Subcat auf das finite Verb in der X-bar Theorie ist nicht neu. Noch 1883 (Die deutsche Satzlehre, S. 5) formulierte Franz Kern das folgenderweise: "Das finite Verbum ist keine Wortart, wie Substantiv und Adjektiv, auch kein Satzteil, wie Subjektwort und Objekt, sondern es ist der Satzkeim, die Satzwurzel, ohne welche der Baum des Satzes nicht bestehen kann" (zitiert in Weber 1992:13).

Die Kasusgrammatik von Charles J. Fillmore war die Neufassung der von Chomskys Standardtheorie unter Bewahrung der Hauptrolle der Syntax. Sie strebte eine umfassendere Beschreibung an, wobei vieles (z.B. Konstituentenstrukturbeschreibung) bei Chomsky entliehen war. Die Dependenz war der Gegensatz zu Chomskys Transformationsgrammatik. Im Unterschied zur Dependenzgrammatik wendet die Kasusgrammatik nicht Dependenzregeln, sondern die Ersetzungsregeln an:
Satz = Modalität + Proposition
Proposition = Verb + Kasus1 + ... Kasus n

Die Proposition besteht also aus dem Verb und Kasusrollen (bei Tesniére – Aktantentypen). Kasus basiert auf Kasusmarkierung und Rollen (Agentiv, Objektiv). Diese Beschreibung verbindet Konzeptionen der Verb-Valenz und der Konstituentenstruktur des Satzes.

Nach Tesniére basiert der Satz auf zwei Typen der Ordnung: linear und struktural. Strukturale Ordnung bedeutet ein Netz der Relationen. Die Beschreibung der grammatischen Relationen präsentiert abstrakt den Satz ganz getrennt von der linearen Sequenz der Wörter in der Redekette. Zu den Hauptrelationstypen gehören nach Tesniére:

  1. Konnexion;
  2. Junktion;
  3. Translation; (vgl. Weber 1992:19).

Die strukturale Ordnung im Satz ist von der Syntax geschaffen. Die Komponenten des Satzes gehen miteinander semantische und syntaktische Beziehungen ein. Knoten sind bei Tesniére die Wörter, semantisch-syntaktische Grundkategorien, mit denen eine Vorstellung verbunden ist. Vollwörter sind die Herausbildungspunkte der Nuclei, was mit den Leerwörtern nicht der Fall ist. Die Leerwörter werden in Junktoren (und, oder, so daß) und Translatoren (daß, das) geteilt.

Tesniére unterscheidet auch Indizes – Einheiten, wie Artikel zum Substantiv oder Personalendungen des Verbs. Sie werden nicht als Nuclei dargestellt und dienen zur Anzeige von grammatischen Funktionen. Im Deutschen können sie auch mit den Leer-Wörtern verschmolzen sein. Dank den Arbeiten von Engel, Agricola, Hunze ist Deutsch dependenzgrammatisch gut erschlossen.

Das Stemma wird von Tesniére zweifunktional benutzt: einerseits – für didaktische Zwecke (zur Veranschaulichung der Abhängigkeitsbeziehungen), andererseits für wissenschaftliche Zwecke (als Darstellungsmittel infolge seiner eindeutigen und ausbaufähigen Natur). Stemma basiert auf Knoten, die die Vollwörter eines Satzes repräsentieren, und auf gerichteten Verbindungen zur Aufzeichnung der Beziehungen zwischen den Knoten. Im Unterschied zum Konstituentenstruktur-Baum, der auch nichtterminale Einheiten (Knoten, denen kein sprachlicher Ausdruck entspricht) enthalten kann, ist es in der Dependens-Stemma nicht zugelassen. Das Dependenzstemma läßt auch die Überschneidung von Kanten zu. Das ergibt sich aus der prinzipiellen Trennung von linearen und strukturalen Ordnung. Die Zuordnung von strukturaler und linearer Ordnung (Projektivität) wurde von Tesniére nicht behandelt.

Tesniére betrachtet die adverbialen Präpositionalgruppen nicht als Aktanten, was viele Unklarheiten verursacht hat und im Deutschen nicht immer der Fall wäre.

Circumstanten stellen jene Nuclei dar, die dem Verb direkt unterliegen aber nicht unentbehrlich für ein Ereignis seien. Sie geben die Details der Ereignisse an: Ort, Art und Weise, Zeit usw. Ihre Anzahl ist nicht bestimmt.

Im Stemma stehen die Circumstanten rechts von den Aktanten (Rechtsregel in HPSG und anderen Grammatiken). In der linearen Abfolge soll das vermieden werden. Die unterste Stelle in der Abhängigkeitshierarchie stellen die Adverbien dar. Sie sind von allen Gliedern abhängig, sogar von eigener Klasse. Der Weglaß-Test hat sich auf dem Boden der Dependenzgrammatik als nützlich erwiesen – er besagt, daß der Knoten, der andere abhängige Knoten vereinigt, nicht eliminierbar ist. Wenn der untergeordnete Knoten kein Aktant und Cirkumstant ist, so kann er ohne Verluste eliminiert werden. Dem Weglaß-Test werden auch die notwendigen Glieder unterworfen, manche von ihnen können eliminiert werden, ohne daß das merkbar wäre. Deshalb soll abgeraten werden, sich auf diesen Test stark zu verlassen. Aus diesem Grunde soll man die Valenz des Verb-Nucleus für gegeben und nicht für feststellbar halten. Der Weglaß-Test eignet sich gut für die Überprüfung der Abhängigkeitsbeziehungen unterhalb der Aktanten-Circumstanten-Ebene.

6. Verb-Beschreibung
Für unsere Untersuchung haben wir uns für das Beschreibungsmodell von Helbig (1992:154-155) entschieden. Die Vorteile des Beschreibungsmodells von Helbig besteht darin, daß es gleich semantische und syntaktische Eigenschaften der Prädikate und ihrer Argumente, der Verben und der Aktanten behandelt. Es wird strikt zwischen logisch-semantischer Stelligkeit der Prädikate und der syntaktischer Wertigkeit der Verben getrennt. Die Ebenen werden strikt voneinander abgetrennt. Dieses Modell läßt die adäquate Beschreibung unterschiedlicher Sememe (Varianten) eines Lexems zu.

Die Stufe I gibt die Anzahl der Argumente (logisch-semantische Stelligkeit) an;
Auf der Stufe II a sind die Funktoren angegeben, auf der Stufe IIb – die Modifikatoren.
Die Stufe III enthält die Charakterisierung der Argumente durch die semantischen Kasus;
Auf der Stufe IV erscheint semantisch-referentielle Charakteristik der Argumente als semantische Komponentenanalyse;
Auf der Stufe V geschieht die morphosyntaktische Charakterisierung der Aktanten durch Oberflächenkasus und Satzglieder.
Auf der Stufe VI ist die Wertigkeit (obligatorische und fakultative Valenz) angegeben.

zahlen
	d		    		a     	   b
Für den Erwerb der Option zahlt der Käufer eine Prämie.
a			c		
Er zahlt an den Kaufmann mit Bargeld.
  1. aRbcd Zahl der semantischen Leerstellen (Stelligkeit): 4
  2. a) Valenzrelevante Merkmale des Prädikats: -statisch, -Motion, +Relation, -symmetrisch, +äußerlich, -Resultat, +Besitzwechsel, vom Subjekt weg;
  3. b) Valenzirrelevante Merkmale des Prädikats: +Geld (als Entgelt), -ständig, ±Quittung, als Teilzahlung möglich;
  4. Semantische Kasus: a – Agens, b – Patiens, c – Adressat, d – Goal.
  5. Semantische Merkmale der Substantive:
  6. a – +Hum, b - -Anim, +Abstr, c – +Hum, +Abstr (als Hum), d - -Anim,
  7. a) a – Subjekt, b – Objekt, c – Objekt, d – Objekt,
  8. b) a – Sn, b – Sa, c – Sd/pS, d – pS,
  9. zahlen 2 + (2) = 4 (syntaktische Wertigkeit).

7. Schlußfolgerungen
Aus den Ausführungen geht hervor, daß die Dependenzgrammatik mit den anderen Arten der Grammatiken eng verflochten ist und sich auf der gleichen Entwicklungsstufe befindet, wie die anderen Grammatiken. Die Verbzentriertheit und gleiche Behandlung des Subjektes mit dem Objekt kann für manche Ziele auch vorteilhaft sein, wie in unserem Fall, um so mehr, daß in der heutigen Wissenschaft keine Einigkeit betreffs der Rolle des Subjektes herrscht. Was den Vorwurf anbelänge, daß es keinen Unterschied zwischen Semantik und Morphosyntax gibt, so läßt sich bemerken, daß diese Lücke im 6-Stufen-Modell von Helbig bereits ausgefüllt ist.

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